02/07/2024 0 Kommentare
Tochter Zion, freue dich! – Die Predigt zum 1. Advent zum Nachlesen
Tochter Zion, freue dich! – Die Predigt zum 1. Advent zum Nachlesen
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Tochter Zion, freue dich! – Die Predigt zum 1. Advent zum Nachlesen
Liebe Gemeinde,
als Kind war ich mit der Zionsgemeinde in der Neustadt verbunden. Regelmäßig besuchte ich den Kindergottesdienst und spielte auch im Krippenspiel mit. Außerdem war der Sohn des Pastors mit mir in einer Kindergartengruppe. Insofern war ich manchmal auch zum Spielen im Pfarrhaus zu Besuch. Dort begegnete ich ab und an auch der Tochter des Pastors, die einige Jahre älter war als ich.
Sie hatte ich vor Augen, wenn wir in der Adventszeit am Adventskranz Zuhause im Wohnzimmer das Lied „Tochter Zion“ anstimmten. Mir war zwar klar, dass das Lied viel älter war als das Mädchen, an das ich dachte. Doch als Tochter des Pastors aus der Zionsgemeinde passte sie für mich am besten zu der Person, die in dem Lied zur Freude aufgerufen wird.
Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!
Sieh, dein König kommt zu dir!
Ja, er kommt, der Friedensfürst.
Tochter Zion, freue dich!
Jauchze laut, Jerusalem!
Tochter Zion - wer ist damit eigentlich gemeint? Das blieb mir auch später rätselhaft. Geht es um ein Mädchen, das aus Jerusalem stammt, dort, wo der Tempel des jüdischen Volkes auf dem Berg namens Zion stand? Könnte man denken. Doch tatsächlich ist die ganze Stadt Jerusalem gemeint. Eine Stadt ist nämlich in der hebräischen Sprache wie in der deutschen weiblichen Geschlechts und wird hier und da in der Bibel als Person angesprochen. Etwa im Buch des Propheten Sacharja:
"9Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. 10Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde."
Die Stadt Jerusalem mit ihrem Tempelberg Zion wird als Tochter Gottes angesprochen, die allen Grund zur Freude hat. Denn ihr König wird kommen und Gerechtigkeit und Frieden mit sich bringen. Das ist eine schöne und aufregende Botschaft für die Stadt. Denn zur Zeit des Propheten Sacharja, im 4. oder 5. Jahrhundert vor Christus, blickt die Stadt auf eine zum Teil sehr schwere Zeit zurück. Einst war sie Sitz des judäischen Königs David. Doch dann folgten viele Jahrhunderte der Fremdherrschaft. Die Stadt wurde Teil des babylonischen Großreichs, regiert von dessen Herrscher. Bis dieser schließlich vom König der Perser abgesetzt wurde und Jerusalem und Umgebung zur persischen Provinz wurden.
Ihre eigene Religion durften die Menschen aus Jerusalem in diesen Zeiten zwar behalten. Aber ihr Tempel war jahrelang zerstört. Als er schließlich wieder aufgebaut wurde, war das zwar ein großer Grund zur Freude. Doch die Abhängigkeit von einer fremden Nation blieb bestehen. Zwar lebte der Enkel des letzten judäischen Königs noch. Doch selbst König zu werden, da gab es keine Chance. Und schließlich verschwand er spurlos. Einigen Menschen mag das vielleicht nicht so wichtig gewesen sein. Andere sehnten sich jedoch stark nach Unabhängigkeit. Ihnen machte der Prophet Sacharja nun Mut: Er sieht in der Zukunft nicht irgendeinen möglicherweise feindlich gesinnten fremden Herrscher im Anmarsch. Sondern es wird geschehen, was viele so lange ersehnt haben und was ihnen verheißen worden ist: Jerusalem, ganz Israel wird wieder seinen eigenen König haben!
Gerecht würde er sein, das war wichtig, das wurde als wichtige Eigenschaft eines Herrschers angesehen. Ein Helfer würde er sein, so heißt es in der Lutherübersetzung. Doch im Hebräischen heißt es eher: Er wird einer sein, dem geholfen wird. Er wird einer sein, der seine Macht nicht seiner Durchsetzungsfähigkeit und Stärke verdankt, sondern vor allem dem Wirken Gottes, der ihm zu seiner Herrschaft verhilft - mit dem Ziel, Frieden zu bringen. Kriegswagen und Kreisbogen sollen zerbrochen werden. Hier deutet sich an, was der Menschheit bis heute schwer fällt zu begreifen: Dass Frieden selten mit Waffengewalt bewirkt werden kann und es in vielen Fällen viel sinnvoller ist, Waffen zu vernichten und ihre Produktion und ihre Exporte zu drosseln.
Wie oft wurde und wird Krieg als Mittel zum Frieden gesehen. Und wie oft hat das nicht geklappt. Denken wir an die Dauerkriege, die nicht aufhörenden Kämpfe in Syrien und Afghanistan. Die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse auszudrücken und einzufordern und die Chance, ein besseres Leben führen zu können, das ist doch oft so viel wirksamer als Gewalt und Krieg.
Es wird ein König kommen, der Friede mit sich bringt. Diese Zukunftshoffnung des Propheten Jesaja blieb bestehen. Auch als die Perser von den Griechen besiegt wurden und Jerusalem Teil des griechischen Großreichs wurde. Auch als die Römer erstarkten und Jerusalem eroberten.
Ein König wird kommen, der Friede mit sich bringt. Diese Hoffnung war auch noch lebendig, als Jesus lebte und wird in den Evangelien mit seiner Person verbunden. So wird in der Erzählung, dass Jesus mit einem Esel in Jerusalem einzieht, die alttestamentliche Königsverheißung von Sacharja zitiert. Und als der Römische Statthalter Jesus schließlich fragt: „Bist du König der Juden?“ Da sagt dieser: „Du sagst es.“
Als vermeintlicher Aufrührer und Gefährder der politischen Ordnung wird Jesus schließlich hingerichtet. Obwohl er keinerlei politische Ambitionen hatte und nie an der Macht eines weltlichen Königs interessiert war.
Die Friedensherrschaft, von der er sprach, sah anders aus als manche es erwartet hatten. In politischen Zusammenhängen löste dieser Friedenskönig keine Veränderungen aus, sondern konzentrierte sich auf den Bereich, wo Frieden seinen Anfang nimmt. In der Beziehung zwischen Gott und Mensch. In der Beziehung zwischen Mensch und Mensch. Frieden war spürbar, wenn Jesu die Wunden der Menschen heilte. Frieden war spürbar, wenn er Vergebung aussprach. Frieden war spürbar, wenn er den Menschen seine Weisungen mit gab. „Meinen Frieden gebe ich euch.“ sagte Jesus und zog zugleich die Menschen selbst in die Verantwortung. Sie merken: Frieden ist nichts, das ein einzelner einmalig schaffen kann. Frieden muss am Leben gehalten werden. Durch Gott, doch eben auch durch die Menschen.
„Tochter Zion, freue dich“, so singen wir. Und in der zweiten Strophe dann „Hosianna, Davids Sohn“: Zu Deutsch: „Hilf doch, Davids Sohn. Hilf doch Jesus, Nachfahre Davids.“ Jerusalem und die ganze Welt dürfen sich freuen, denn in der Suche nach dem Frieden sind wir nicht allein gelassen. Wir haben einen Gott, der uns hilft. Wir haben einen Gott, der den Weg weist, der Mut macht, der Kraft gibt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen in Jesus Christus. Amen.
Pastorin Carolin Joppig
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