02/07/2024 0 Kommentare
Jetzt oder nie – Vom Ernst der Nachfolge Jesus
Jetzt oder nie – Vom Ernst der Nachfolge Jesus
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Jetzt oder nie – Vom Ernst der Nachfolge Jesus
Um die 30 Jahre alt ist Jesus, als er anfängt, auf Wanderschaft zu gehen, zu predigen und zu heilen. Alt genug, dass er sich schon ein eigenes Leben aufgebaut und Erfahrungen gesammelt hat. Jung genug, um noch einmal ganz von vorn anzufangen.
Das Leben im Kreise der Familie lässt Jesus hinter sich, um mit neuen Bekannten durch die Lande zu ziehen. Dabei begegnet er zahlreichen Menschen und für viele von ihnen haben diese Begegnungen weitreichende Folgen. Einige konnten nun dort, wo sie im Leben standen, neue Möglichkeiten wahrnehmen. Andere ließen alles hinter sich und zogen mit Jesus mit. Das hatte seinen Reiz - und seinen Preis.
„Ich folge dir nach“, sagt der eine. Und Jesus antwortet sinngemäß: „Willst du das wirklich? Du gibst damit alle materielle Sicherheit auf. Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber wir haben nichts, wo wir unser Haupt hinlegen. Bist du dafür bereit?“
Der nächste Mensch bekommt von Jesus eine persönliche Aufforderung zugerufen: „Folge mir nach.“ Der jedoch zögert - aus verständlichen Gründen. Erst will er seinen Vater beerdigen. Doch dafür ist aus Sicht von Jesus keine Zeit. „Lass die Toten ihre Toten begraben“, erwidert er ziemlich schroff mit einem sehr rätselhaften Satz. Soll die Beerdigung einfach nicht stattfinden, weil Tote nicht fähig sind, andere zu begraben? Oder hat Jesus Angehörige oder Nachbarn im Blick, die er für „geistlich tot“ hält, aber zugleich für fähig, diese Aufgabe zu übernehmen?
So oder so eine krasse Antwort.
Für die Beerdigung ist keine Zeit mehr. „Jetzt oder nie“ heißt es für diesen Mann und auch für den nächsten, mit dem sich Jesus unterhält. Er will gern mitkommen, aber erstmal Abschied von seiner Familie nehmen. Ebenfalls verständlich. Dem Propheten Elischa aus dem Alten Testament ging es ähnlich. Ihm wurde dieser Abschied auch erlaubt. Doch Jesus will dafür keine Zeit hergeben. Offensichtlich wollte oder konnte er nicht auf den Einzelnen warten. Und in einer Zeit, in der es kein Handy, kein Auto und keinen Zug gab, war es auch nicht so leicht, einfach mal eben später nachzukommen.
Die Entscheidung musste getroffen werden. Jetzt oder nie. Mitkommen oder Zurückbleiben. Zurückblicken oder Nachvornschauen.
Beim Pflügen darf man sich nicht umschauen, dann wird die Furche schief und man verliert seinen Schwung. Dann bleibt man in der Erde stecken und kommt nur mit Mühe wieder heraus. Das Gleiche gilt laut Jesus auch für die, die mit ihm reisen wollen. Die Konzentration auf die Verkündigung gerichtet, der Blick auf das kommende Reich Gottes ist gefordert. Das frühere Leben soll der Vergangenheit angehören.
Wie sich die drei Menschen schließlich entscheiden bleibt offen. Ich an ihrer Stelle wäre wohl nur mit gekommen, wenn ich schon vorher die Sehnsucht gehabt hätte, mein Leben radikal zu verändern. Falls ich mit meinem früher Leben relativ in Einklang gewesen wäre, hätte ich mich so einen Schritt wohl kaum gewagt.
Überhaupt bin ich froh, in einer Zeit und in einer Welt zu leben, in der viele Entscheidungen solcher Art nicht nötig sind, weil vieles nebeneinander möglich ist. Heutzutage können wir nachkommen, wenn wir vorher etwas anderes erledigen müssen. Per Handy kann man sich an den gleichen Standort lotsen lassen. Wir können von einander wegziehen und trotzdem in engem Kontakt bleiben. Wir können arbeiten und trotzdem eine Familie gründen. Wir können normalerweise reisen und müssen trotzdem nicht auf den Komfort verzichten. Wir können uns für das einsetzen, was uns wichtig ist, und müssen in diesem Land normalerweise nicht um unsere Sicherheit besorgt sein. Wir können unseren Glauben ausüben ohne verfolgt zu werden.
Auch können wir froh sein, wenn wir nicht in der Situation mancher Christen in dieser Welt sind. Sie müssen überlegen: Bekenne ich mich öffentlich zu meinem christlichen Glauben und nehme in Kauf, dass die Verbindung zu meiner Familie zerbricht? Entscheide ich mich tatsächlich zur Taufe und gefährde damit meine Sicherheit? Oder lasse ich das lieber sein?
Schon lange hat mich dieses Gespräch zwischen Jesus und den drei Menschen fasziniert. Meine erste Hausarbeit im Studium habe ich über diese Bibelpassage verfasst. Doch einen Bezug zu meinem eigenen Leben zu finden, das fiel mir lange schwer. Weil ich eben mit meinem Glauben in diesem Land aufgewachsen bin und eigentlich nie das Gefühl hatte, für meinen Glauben etwas aufgeben zu müssen. „Meiner Meinung nach bedeutet die Entscheidung, Jesus zu folgen, für uns heute nicht notwendigerweise, uns von unserem alten Leben und unseren persönlichen Bindungen zu trennen, sondern innerhalb dieses Lebens und dieser Gesellschaft den Glauben zu praktizieren und dies als unsere größte Aufgabe anzusehen“, lautete der letzte Satz in meiner Hausarbeit, verfasst vor 15 Jahren.
Heute denke ich: Vieles ist in unserem Leben in diesem Land miteinander vereinbar - aber passt es auch wirklich zusammen? Vielleicht wollen wir manchmal auch gar nicht sehen, wo Veränderungen nötig sind. Braucht es nicht doch vielleicht einen Bruch - nicht mit der gesamten Vergangenheit - aber mit alten Gewohnheiten? Das frage ich mich in diesen Tagen viel, denn ich nehme am Klimafasten teil - einer Aktion verschiedener Landeskirchen, die dazu aufruft, den eigenen Lebenswandel zu hinterfragen. Dabei wird mir einmal mehr klar: Wie ich mich ernähre, was ich kaufe und wie ich Ressourcen verbrauche, hat Auswirkungen auf Umwelt, Tiere und Menschen. Ungerechte Strukturen in dieser Welt können nur bestehen, weil Menschen sie – bewusst oder unbewusst – unterstützen.
Können wir so, wie wir jetzt leben, die Schöpfung bewahren und zum Wachsen der Gerechtigkeit in dieser Welt beitragen? Oder braucht es nicht auch da klare Entscheidungen und Änderungen im Verhalten? Gilt die Aufforderung Jesu, Altes hinter uns zu lassen nicht doch auch für uns?
Wie gut passen mein Glauben und mein Leben eigentlich wirklich zusammen?
Das frage ich mich. Und das frage ich Euch.
Pastorin Carolin Joppig
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