Auf Adlerflügeln

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Auf Adlerflügeln

Wie berichten Menschen, die in den letzten Jahren aus Afghanistan, Syrien oder Gambia zu uns geflohen sind, von ihrem Weg nach Deutschland? Sie erzählen von dem schrecklichen Abschied, als sie ihre Familie zurücklassen mussten. Sie erzählen von Schikanen an den Grenzen, von Schleppern, die ihnen das letzte Geld abnahmen, von überfüllten Booten. Und von Toten, die sie gesehen haben.

Wie berichten wir von unserem Weg in ein freies, selbstbestimmtes Leben? Manche von den Älteren erzählen noch von den Bombennächten oder von der Flucht, von all der Angst, die sei als Kinder erlebt haben. Die Jüngeren haben andere Geschichten. Oft genug handeln sie von Schwerem: Vom Scheitern einer Beziehung, von Arbeitslosigkeit und sozialem Elend, von Krankheit und viel zu frühem Tod, von Katastrophen, die einem alles rauben. 

Wie berichtet Israel von seinem Weg in die Freiheit, in das Land, in dem Milch und Honig fließen? Sie werden verfolgt von Soldaten. Sie leiden Hunger und Durst. Sie sehnen sich nach den Dingen, die sie in Ägypten zurücklassen mussten und nach der materiellen Sicherheit, die sie dort hatten: Sklaven waren sie zwar, aber versorgt. Und sie beklagen die Unsicherheit, in der sie feststecken, hier mitten in der Wüste, wo es weder vor noch zurück geht. Niemand weiß, was noch Schreckliches kommt.

Und wie spricht Gott von diesem Weg? Gott sagt: „Ich habe euch getragen auf Adlerflügeln.“ (2. Mose 19,4) 

Haben wir uns verhört? Will Gott uns weiß machen, dass unser Weg wie eine Pauschal-Flugreise war, bei der für alles gesorgt war, wir müssen uns nur zurücklehnen und genießen? Wie ein schöner Sommerurlaub, an den man gerne zurückdenkt? Wenn Gott ein Reiseveranstalter wäre, würde es jetzt eine Klagewelle geben, weil beides so weit auseinanderfällt: Der Prospekt und unsere Wirklichkeit. Auf Adlerflügeln getragen?

Aber warten wir besser noch mit der Klage. Offenbar sieht Gott das ja aus einer anderen Perspektive. Wir sehen, was auf Augenhöhe ist: Der hohe Berg an Sorgen, das Meer der Angst, die Wüste der Einsamkeit. Wir fürchten: Das schaffe ich nicht. Wir denken: Ich bin ganz allein und verloren.

Gott sieht wie ein Adler, von oben. Gott sieht den Weg, der durchs Gebirge führt, auch durch die Todesschattenschlucht. Er sieht von oben - und ist gleichzeitig mit seinem Stecken und Stab bei uns. Gott sieht die Nussschale auf dem Wasser und wie die Wellen sie zu verschlingend drohen. Und ist doch bei uns in Jesus, der dem Sturm und den Wellen gebietet, zu schweigen. Gott sieht von seiner himmlischen Höhe auf uns verlorene Menschen in der Wüste. Und geht uns voran, tags als Wolke und nachts als Feuer, damit wir unseren Weg finden. Den Weg in die Freiheit.

Die Perspektiven auf unser Leben unterscheiden sich. Wer hat recht mit seiner Sichtweise? Wir sehen auf die Leiden, die Schmerzen, die Probleme. Manchmal lassen wir uns von dieser trüben Aussicht sogar faszinieren. Oder bezwingen. Wir gehen unseren Weg in Einsamkeit, also ob es die große Verheißung Gottes nicht gäbe: Ich bin bei Euch, alle Tage! 

Gott sieht auf unsere Leben aus der Höhe. Er lässt uns immer wieder das Ziel sehen. Er tröstet uns und trägt uns auf Adlerflügeln. Und zugleich geht er den Weg neben uns. Und trägt unser Kreuz unerkannt mit.

Pastor Klaus Kramer

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