Was nun? – Gedanken von Pastor Harms zum derzeitigen Geschehen

Was nun? – Gedanken von Pastor Harms zum derzeitigen Geschehen

Was nun? – Gedanken von Pastor Harms zum derzeitigen Geschehen

# Gemeindeleben

Was nun? – Gedanken von Pastor Harms zum derzeitigen Geschehen

Viele Fragen schwirren derzeit in meinem Kopf umher. Und wohl auch in den Köpfen anderer? Zum Beispiel warum die Politiker so streng mit uns sind? Scheinbar nicht einmal mehr die Kirchtür darf aufstehen für einzelne Besucher, die hier Trost suchen und finden könnten … (Inwieweit es doch möglich sein könnte, wird derzeit noch von der Bremischen Evangelischen Kirche erörtert.)

Ich war noch nie in den sozialen Netzwerken unterwegs. Es gibt hier bestimmt auch zur Entstehung des Corona-Virus spannende Verschwörungstheorien. Und unabhängig davon viele Gespräche über einen möglichen Sinn dieser Pandemie. Ein Zeichen von Gott? Wehrt sich die Natur gegen eine ungebändigte Globalisierung?

Am Ende bleibt für jede und jeden die Aufgabe, mit dieser anstrengenden Situation umzugehen. Ich bin auf mich zurückgeworfen. Was fange ich mit mir an, wenn die herkömmlichen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung nicht mehr zur Verfügung stehen? Wenn der Umgang miteinander so weit reglementiert ist, dass ich selbst meine eigene Mutter nicht mehr besuchen darf, weil sie über 80 ist? Wenn ich meinen Kindern verbieten muss, auf den Spielplatz zu gehen?

Ich denke nach. Ich erinnere mich: Ich bin 1961 geboren und im Jahr 1986 hatte ich eine 4-jährige Tochter. Wir lebten damals in Marburg. Es war ein regnerischer Apriltag, und plötzlich mussten wir von einer Minute auf die andere die Kinder ins Haus holen, weil der Regen giftig war. Radioaktiv verseucht. Der Reaktor in Tschernobyl war geborsten. Dauernd saßen wir vor dem Fernseher, weil wir wissen wollten, wohin der Wind den radioaktiven Fallout trieb. Wir haben Milch ins Labor der Uni gebracht, um zu erfahren, ob sie verseucht war. Für wie viele Wochen kann man H-Milch lagern? Wo gibt es sie überhaupt noch? Es gab natürlich Hamsterkäufe (denn alles, was ich sofort kaufe, ist ja noch ohne radioaktive Belastung produziert).

All das ist lange her. Aber die Parallelen sind offenkundig. Wir mussten lernen, mit einer drohenden Gefahr zu leben, die bis dahin nur abstrakt existierte. Das lehrt mich heute die Strenge der Politiker. Auch wenn ich die Gefahr nicht sehe oder rieche, auch nicht höre, taste und schmecke, sie ist da. Ich habe das schon einmal erlebt. Auch 09/11, BSE, Vogelgrippe und Schweinepest, und AIDS  gehören irgendwie in diese Reihe. Das sind keine gottgewollten oder von der Natur aus Rache an uns erfundenen Übel, sondern Teil unseres Lebens als Menschen, seit wir vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen haben. Das Leben kann so wunderbar, reich und vielgestaltig sein, aber es kann auch bedrohlich, eingeengt und fade sein.

In solch einer Situation sind wir heute, wieder einmal. Und so gut es geht es geht, werden wir hindurchgehen. Und das geht auch mit geschlossenen Kirchtüren.

Ich hoffe, dass es uns erlaubt bleibt, dass wir uns begegnen, sei es in Quarantäne in den eigenen vier Wänden oder im öffentlichen Raum mit dem gebotenen Abstand. Ich lebe, wie gesagt, sehr gern in der leiblichen Welt, in den Straßen, in der Natur, im Austausch mit den Menschen. Eine zeitlang werden wir uns nun aber auch in der virtuellen Welt begegnen. Ich übe gerade, mich darin zurechtzufinden. Vielleicht erscheinen auf unserer Homepage bald schon Gottesdienste, wie sie zuletzt im Fernsehen zu sehen waren: Zwar ohne wirkliche Gäste, aber doch von uns gestaltet, in unserer Kirche in Findorff, und die Gäste sitzen vor einem Bildschirm… ohne Angst vor Ansteckung.

Ihr Norbert Harms

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