02/07/2024 0 Kommentare
Gemeinde ist geteiltes Leben
Gemeinde ist geteiltes Leben
# Gemeindeleben

Gemeinde ist geteiltes Leben
Dauernd gehen mir die Konfirmand*innen durch den Kopf – und durchs Gemüt. Soll ich die Verbindung suchen über die sogenannten „sozialen Medien“? Ist eine Videokonferenz, wie wir sie jetzt mit dem Vorstand beschlossen haben, auch für den Kontakt mit den jungen Menschen sinnvoll?
Es entsteht ein Paradox: Gerade die jungen Menschen sind doch mit dem Umgang mit dem Head-Set vor dem Laptop oder dem Smartphone viel vertrauter als ich. Aber ich möchte ja gerade nicht, dass wir es irgendwann als selbstverständlich begreifen, dass wir uns nur noch in der virtuellen Welt begegnen. Eine Videokonferenz mag sinnvoll sein, wo Entscheidungen getroffen werden müssen, ohne dass eine wirkliche Versammlung erlaubt ist. Aber darüber hinaus, das war jedenfalls meine Erfahrung bisher, ist sie einfach nur ein Ersatz für die echte Begegnung. Sie lässt mich am Ende mit einer eigenartigen Leere zurück. Mich beschleicht, wenn ich in der virtuellen Welt unterwegs bin, immer wieder das Gefühl: Irgendwas stimmt hier nicht.
Für alle Pastor*innen ist eine wichtige Frage die nach dem Gemeindeaufbau. Was baut die Gemeinde auf? Christian Möller ist ein Theologe, der mich schon früh beeindruckt hat mit seiner Sicht darauf. Er spricht statt vom Gemeindeaufbau lieber vom Gemeindeleben. Gemeindeaufbau setzt nämlich voraus, dass da, wo ich etwas aufbaue, bisher nichts, oder zumindest nicht genug, war. Was also ist das eigentlich: Gemeindeleben?
In einem zweiten Schritt erklärt er die Entstehung des Begriffs „Gemeinde“: Es geht, wenn mich meine Erinnerung an sein kleines Buch (s.u.) nicht trügt, tatsächlich um das „gemeine“, d.h. gemeinsame Leben. In den 80er-Jahren, als er sich mit dem Thema beschäftigt hat, war schnell klar, um welche Art der Gemeinschaft es hier geht: die der um das Wort Gottes versammelten Menschen. Eine virtuelle, durch Digitalisierung erschaffene Gemeinde, gab es noch nicht. Ich bin ein Anhänger dieser Idee vom Leben.
So entsteht schon wieder ein Paradox: Allen, die meine Gedanken jetzt lesen, sind sie ja – wegen der Kontaktsperre – gerade durch die virtuelle Welt übermittelt. Ich nutze diese, damit ich meine Sicht auf unsere Krisenzeit veröffentlichen kann. Ja, aber die Antwort auf die Frage, was mich trägt, ist eindeutig: die echte Begegnung. Auch, wenn es nur noch wenige Menschen sind, wenn ich in den kommenden Monaten nicht mehr mit 20 Konfirmand*innen in einer Runde sitzen werde, wirklich lebendig fühle ich mich immer nur, wenn ein Gegenüber da ist. Einer, der sieht, eine, die sieht, was mit mir los ist, wenn keine Kamera läuft. Leben in einer Gemeinde ist geteiltes Leben. Im Moment muss ich also darauf warten, dass wir wieder, ohne Ängste vor Ansteckung, etwas von unserem Leben teilen können, vielleicht zuerst in kleinen Gruppen.
Das Buch, auf das ich mich berufe, heißt: „Wenn der Herr nicht das Haus baut. Briefe für Kirchenälteste zum Gemeindeaufbau".
Pastor Norbert Harms
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