02/07/2024 0 Kommentare
Maria und Martha
Maria und Martha
# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Maria und Martha
Seit ich angefangen habe, über die Geschichte von Maria und Martha nachzudenken, bleibt sie mir ein Rätsel. Sie steht im Lukasevangelium, in Kapitel 10.
Jesus ist bei den Schwestern Martha und Maria zu Gast. Die Achtung vor dem Gast gebietet es, ihn aufmerksam zu bewirten. Das tut allein Martha. So bittet sie Jesus: "Sag ihr doch, dass sie mir helfen soll!" Der aber weist sie zurück: "Du hast viel Sorge und Mühe. Maria aber hat das gute Teil erwählt (...)." Martha soll sie in Ruhe zu Jesu Füßen sitzen lassen, damit sie ihm zuhören kann.
Die Geschichte wird für die Lage der Kirche heute oft so interpretiert: Wir sollen uns hüten vor Aktionismus. Wir könnten dann in all unserer Betriebsamkeit vergessen, worum es eigentlich geht: auf das Wort Gottes zu hören.
Dahinter steht natürlich die Idee (und auch die Erfahrung vieler Menschen): Wir sind nur dann fähig, unser Leben mit Kraft, Liebe und Besonnenheit zu leben, wenn wir uns immer genug Zeit nehmen, wenn wir es uns erlauben, auf Gott zu hören.
Was aber bedeutet das für diese besonderen Wochen, für die gilt: #wirbleibenzuhause ?
Wer sagt mir das Wort Gottes? Zu wessen Füßen setze ich mich? Wer ist überhaupt noch bei mir zu Gast? Genügt es, das Wort Gottes per Stream in die Häuser zu tragen?
Welches Verb ist hier eigentlich passend? Wie trage ich ein Wort? Wie bringe ich eine Botschaft rüber? Was hätte sich für Maria verändert, wenn sie sich vor ihr Laptop gesetzt hätte, um Jesu Rede zuzuhören?
Vielleicht gibt es, wieder mal, auch hier nicht richtig und falsch, aber es muss uns klar sein, dass etwas anderes passiert, wenn das Wort Gottes bzw. die Rede über das Wort Gottes aus einem wirklichen Mund, mit einer wirklichen Stimme, nah bei mir, ertönt.
Das heißt nicht, dass ich es ablehne, nun auch digitale Möglichkeiten zu nutzen, um mit meiner Botschaft anzukommen oder sie als Hörer und Zuschauer zu nutzen. Ganz im Gegenteil: Ich hätte nicht gedacht, dass mir sogar Spaß machen würde, vor Mikrophon und Kamera zu stehen, ganz ohne Publikum.
Trotzdem war ich, mit allen strengen Hygieneauflagen, noch einmal zu einem ganz kurzen Adventsgottesdienst im Pflegeheim. Ich weiß sehr gut, welche Sehnsucht es gerade hier gibt, Gottes Wort nicht aus einem Lautsprecher zu hören. Und denken Sie nun nicht, dass automatisch ich als Pastor das Wort Gottes ins Haus bringe, und immer ist irgendwer anders mein Zuhörer/meine Zuhörerin.
Ich sitze auch gern, stehe gern, bin gern in der Nähe eines Menschen, der mir die Botschaft vom Frieden auf Erden, oder wenigstens in meinem Innern, bringt. Der mich auf das Licht hinweist, das uns Orientierung bietet.
Für mich wird es auch weiterhin Situationen geben, in denen dieser Zwiespalt nicht allein durch die Epidemiologen gelöst werden kann. Darum werde ich auch in Zukunft, mit aller Vorsicht, mit AHA-Regeln und Lüften, für Gespräche da sein, für leibhaftige Begegnungen, gerade wenn dies dazu dient, Widerstandskräfte zu stärken.
Maria jedenfalls setzte sich nicht vor einen Lautsprecher, sondern zu einem Menschen, um Gottes Wort zu hören.
Pastor Norbert Harms
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