02/07/2024 0 Kommentare
Party jetzt!
Party jetzt!
# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Party jetzt!
Es können einem die Tränen kommen, wenn man sich die Szene ansieht, die Paolo Veronese (1528 - 1588) gemalt hat: Wann können wir endlich auch wieder solche Partys feiern?
Hier handelt es sich um eine Hochzeit, die dem Bericht des Evangelisten Johannes (2,1-12) zufolge in der Stadt Kana stattfindet. Und was ist das für ein Fest! Opulent sind nicht nur die Maße des Gemäldes – mit 9,94 × 6,77 Metern eines der größten, die je auf Leinwand gebracht wurden. Auch alles andere an diesem Fest ist großartig: die Architektur und Dekoration, die Menge der geladenen Gäste in ihren kostbaren Kleidern, die Zahl der Helfer, die mit der Bewirtung und Unterhaltung beschäftigt sind, sogar einige edle Hunde dürfen dabei sein. Und von den Dächern schauen die Zaungäste.
Und auch die Stimmung kippt gerade wieder ins Positive. Der Festmeister, den wir vorne rechts neben den Musikern sehen, prüft in diesem Moment den Wein, der ihm gebracht wird. Gerade hatte er noch große Sorgen, weil der Brennstoff dieser Party ausgegangen war: schlechte Planung! Das hätte Ärger mit dem Bräutigam geben können, den wir links neben seiner Braut sehen. Links am Rande?
Auf dem traditionellen Platz des Brautpaares in der Mitte der Tafel sitzt Jesus, die eigentliche Hauptfigur. Er ist der einzige, der gerade mit nichts beschäftigt ist. Sein Blick geht durch uns hindurch in die Ferne. Denkt er an die Vergangenheit? An die Zukunft? Links neben ihm sitzt seine Mutter Maria. Als der Wein ausgegangen war, hatte sie Jesus darauf aufmerksam gemacht. Jesus weist seine Mutter ab: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Aber dann sind die Krüge, die mit Wasser gefüllt sind (zur rituellen Reinigung, wie das Gesetz es vorschreibt), plötzlich doch voller Wein. Und es ist kein schlechter: Der Festmeister wundert sich darüber, dass der Bräutigam erst jetzt diesen guten Tropfen auffahren lässt, wo die Hälfte der Gäste schon betrunken ist. Und in dieser Menge! Mehr als nötig, eine ganze Kompanie betrunken zu machen.
Woran denken Sie, wenn Sie dieses Bild sehen? An vergangene, schöne Tage, großartige Erlebnisse und herrliche Hoch-Zeiten? Aber: vergangenen, vorbei, nur noch Erinnerung? Vielleicht sagen sie auch, wie viele sagen: Früher war alles besser? Oder geht ihr Blick in die Zukunft? Denken Sie: Es muss doch noch etwas Gutes kommen, einmal wird die Gerechtigkeit sich einstellen, und wir werden alle so ein großes Fest feiern?
So oder so wird mit solchen Gedanken die Gegenwart zu einer uneigentlichen Zeit. Sie ist nicht mehr die schöne Vergangenheit. Sie ist noch nicht die verheißene Zukunft. Was ist sie dann?
Eine kleine Bemerkung zu Beginn der Erzählung des Evangelisten ermöglicht uns eine Antwort. „Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt.“ Am dritten Tag? Die Geschichte beginnt doch erst! Die Geschichte von der großen Verwandlung, wegen der das Fest gefeiert wird: Wo aus dem Gesetz die Gnade wird, wo der Mangel abgelöst wird von der Fülle.
Die Zeitangabe führt uns weiter ins Evangelium, dahin, wo Jesus sagt, dass „die Stunde kommt, ja, sie ist schon da“ (Johannes 16,32). Das ist nicht nur die Stunde, in der Jesus leidet (und mit ihm alle, die ihm nachfolgen) an Egoismus, Isolation, Konsumismus, Entfremdung... Die Stunde, auf die Jesus mit offenen Augen blickt, die Stunde, die schon da ist, ist zugleich die Stunde der Auferstehung. „In der Welt wird man euch hart zusetzen, aber verliert nicht den Mut: Ich habe die Welt besiegt!“ (Johannes 16,33). Die Auferstehung findet am dritten Tag statt. Am Sonntag zeigt er sich als der Lebendige, der uns das neue Leben bringt. Und dieser dritte Tag, die große Zeitenwende, der schönste Tag im Leben - das ist schon jetzt!
Wir denken die Zeit linear. Wir sagen: Vorbei ist vorbei. Und was kommt, das weiß man nicht. So geht es uns auch in dieser Corona-Krise. Wir denken mit Wehmut oder Schmerz an das, was war. Wir können es nicht ungeschehen machen, nicht zurückholen. Wir erwarten mit Sorgen oder Hoffnung das, was kommt. Es ist ungewiss, unplanbar. Ist jetzt schon das Schlimmste schon überstanden, oder haben wir den Höhepunkt noch gar nicht erreicht?
Jesus zeigt uns eine andere Zeit. Da fallen das Noch-nicht und das Schon-jetzt zusammen. Eine Zeit, in der sich die Tage der Vergangenheit und die Stunden der Zukunft begegnen. In der die erfüllte Erinnerung und die sehnsüchtige Hoffnung eins werden.
Und das ist am dritten Tage. Das ist jetzt.
Diese Hochzeit ist nicht abgesagt. Sie findet zu jedem Moment unseres Lebens statt, in dem wir die Wende vom Mangel zu Fülle erleben, im Größten - oder im Kleinsten. Und wie oft haben wir das nicht auch in den letzten Monaten erlebt: Wo wir einen Mangel an Möglichkeiten mit einer Fülle von Ideen begegnet sind. Wo wir einem Mangel an Mitmenschlichkeit mit einer Fülle von Solidarität geantwortet haben. Wo wir die Härte der Regeln mit einer Welle der Barmherzigkeit umfasst haben. Wo die Krüge unsere menschlichen Begegnungen leer waren, aber Gott hat uns überfließende Fässer von spiritueller Verbindung geschenkt.
Wir müssen uns nicht mehr an eine vermeintlich bessere Vergangenheit krallen und dabei die Augen für das Glück des heutigen Tages verschließen. Wir müssen uns nicht mehr vertrösten auf etwas, das doch nicht kommt, und darüber die Schönheit unserer Gegenwart vergessen. Der dritte Tag ist jetzt, in jedem Moment, wo wir uns überraschen lassen, weil alles ganz anders ist. In jedem Moment, wo wir fröhlich - und vielleicht sogar betrunken - fragen: Woher kommt das nur? Der Bräutigam sitzt schon am Tisch. Der Wein ist da, der allerbeste, und er reicht gewiss für alle. Der schönste Tag im Leben ist – jetzt.
Pastor Klaus Kramer
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