Freiheit, die mich bindet

Freiheit, die mich bindet

Freiheit, die mich bindet

# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Freiheit, die mich bindet

Was ist für Freiheit? Das Wochenende, wenn ich nicht zur Arbeit muss? Das eigene Zimmer, wo mir etwas verbietet? Besteht Freiheit darin, mit Tempo 200 über die Autobahn zu rasen? Oder ist Freiheit das, was wir als Deutsche erfahren, wenn wir visafrei in viele Länder reisen können, aber für die anderen ist am Grenzzaun Schluss?

Manche machen sich Sorgen um die demokratischen Freiheiten in unserer offenen Gesellschaft, besonders um die Meinungsfreiheit. Es jährt sich der Tag, wo ein französischer Lehrer ermordet wurde, weil er im Unterricht Mohammed-Karikaturen besprochen hat. Aber es gibt auch falschen Alarm: Die Initiative "Alles auf den Tisch" unterstellt, dass nicht alle Meinungen zu Corona-Pandemie geäußert werden dürfen. Wo konkret soll diese Unterdrückung stattgefunden haben? 

Wie verhält es sich mit der wirtschaftlichen Freiheit? Der Kapitalismus ist bei uns gezähmt durch das System der sozialen Marktwirtschaft. Es gibt ein freies Unternehmertum und freien Handel – aber auch Gesetze und Verordnungen, die für die Sicherheit und faire Entlohnung der Beschäftigten sorgen und die Rechte der Verbraucher schützen. Ist das zu viel oder zu wenig? Und brauchen wir angesichts der Klimakatastrophe nicht noch viel strengere Maßnahmen?

Freiheit spielt auch in unserem persönlichen Nahbereich eine große Rolle. Ich treffe auf Geschwister, die sehr verschieden über ihre Eltern berichten. Die eine hat Deutungen, die ihr helfen, ihre Geschichte zu verstehen: Ein bestimmtes Muster war bei Eltern schon so und es wiederholt sich jetzt bei uns Geschwistern. Wir erben nicht nur Haarfarbe, Haus und Namen, sondern auch alle möglichen Verhaltensweisen. Der andere widerspricht: „Lass mich in Ruhe mit deinen Deutungen! So waren die Eltern nicht – und so bin ich nicht! Leg mich nicht fest!“. Können wir uns auf eine gemeinsame Sicht einigen – oder hat doch jeder seine eigene Geschichte?

Der Apostel Paulus sieht seine Freiheit in Jesus Christus. Durch Jesu Tod am Kreuz und seine Auferstehung sind alle Ordnungen dieser Welt durchkreuzt und ungültig geworden. Wir sind, wenn wir dem Messias Jesus vertrauen, befreit aus den Bindungen ungerechter und unterdrückerischer Gesetze. Wir sind auch frei von Moral im Sinne von: Was sich angeblich so gehört. Wir sind frei von dem, was andere Menschen von uns denken, all den Likes und Beurteilungen. Wir sind frei von Familienmustern, aber auch frei von Deutungen unserer Geschichte, die uns übergestülpt werden. Frei von dem ganzen Ballast an Schuld, den wir mit uns herumschleppen, frei von den peinlichen Dingen in unserer Geschichte, mit denen wir uns selbst erpressen. In Jesus Christus sind wir wirklich frei.

Es ist eine innere, geistliche Freiheit, der die äußeren Normen und Drohungen und alles, was uns binden und verführen will, nichts anhaben kann. Diese Freiheit besteht im Vertrauen auf Jesus Christus, den der Tod nicht im Gefängnis des Grabes halten konnte, der als erster auferstanden ist von den Toten, dem wir folgen. Wir sind frei.

Aber nur, wenn wir uns an Jesus Christus binden. Denn die Mächte, die uns bestimmen wollen: die Antidemokraten, Ausbeuter, Dämonen, lassen uns nur sehr ungern gehen. Wie der Pharao seinen Sklaven nachjagte, nachdem er sie in einem Moment der Schwäche hat ziehen lassen. Wir sind frei, aber nur, wenn wir uns an unseren Befreier binden. Sonst fallen wir zurück in Sklaven-Denken und müssen immer weiter der alten Herrschaft dienen.

Ich kann es auch Verantwortung nennen. Denn wie Jesus Christus seine Freiheit nicht für sich gelebt hat, für seine privaten Interessen und sein persönliches Wohlergehen – so leben auch wir unsere Freiheit nicht für uns selbst. Sondern für unsere Nächsten – und damit für den Gott, der uns in diesen Nächsten begegnet. Das ist die Neue Welt-Ordnung des Miteinanders und Füreinander, die Paulus das „Gesetz Christi“ nennt. Es ist die Erfüllung von Gottes Willen, den er dem Volk Israel offenbart hat, als es unterwegs war aus der Sklaverei hinein in das gelobte Land. Dieses „ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ (3. Mose 19,18; Galater 5,14)

Christliche Freiheit besteht also nicht darin, dass wir tun können, was wir wollen oder gar darin, dass wir unsere eigenen Interessen rücksichtslos gegenüber anderen durchsetzen. 

Aus Verantwortung gegenüber der Schöpfung werden wir nicht alles tun, was uns wirtschaftlich möglich und technisch machbar ist. Denn die technische Beherrschung der Natur und ihre gierige Ausbeutung haben erst zu der Bedrohung geführt, die wir jetzt erleben. Der freiwillige Verzicht ist unser Weg, unserer Aufgabe gerecht zu werden.

Aus Respekt und Verantwortung vor den Menschen werden wir darauf achten, was wir mit unserer Sprache tun und wie wir unsere Geschichte deuten. Worte schaffen Wirklichkeit, und die neue Schöpfung, in der wir leben, ermöglicht uns neue Worte, die andere nicht einengen, verletzen oder beleidigen. Es ist ganz einfach.

Und weil wir uns an Jesus Christus binden, werden wir für die Freiheit des Glaubens, der Rede, der Presse und der Wissenschaft eintreten. Weil wir - gerade aus der Geschichte des Christentums - wissen, wie religiöser Fanatismus und moralischer Rigorismus Menschen unterjochen und zerstören, halten wir die Glaubensfreiheit auch als die Freiheit hoch, nicht oder ganz anders zu glauben und zu leben.

Die Freiheit, zu der uns Jesus Christus befreit hat, ist ein kostbares Geschenk. Sie ist einerseits die Befreiung aus allen bösen Zwängen, die unser Leben bestimmen wollen. Aber sie ist auch die Verantwortung, die wir für das Leben auf dieser Welt tragen. Sie ist die Liebe, mit der wir uns unseren Mitmenschen zuwenden. Sie ist Demut und Respekt, die wir gegenüber anderen aufbringen.

Jemand hat die christliche Freiheit mit den Kletterern verglichen, die die höchsten Gipfel ersteigen. Oben am Gipfelkreuz erleben sie tiefes Glück. Aber man kommt nur dorthin, wenn man sich fest an andere bindet.

Klaus Kramer

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed