Kann man Jesus nachfolgen ohne Glauben?

Kann man Jesus nachfolgen ohne Glauben?

Kann man Jesus nachfolgen ohne Glauben?

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Kann man Jesus nachfolgen ohne Glauben?

Das Thema im Gottesdienst am 12. Oktober war:

"Kann man Jesus nachfolgen ohne Glauben?" 

Die Frage tauchte auf, als ich zur Vorbereitung des Gottesdienstes den Predigttext (Matthäus 15, 21-28) gelesen habe. Über die vielen Pastorenjahre habe ich alles erlebt: es gibt inbrünstigen Glauben, der sich in Jesusnachfolge äußert. Es gibt inbrünstigen Glauben aber auch gepaart mit Gewaltausübung. Oder, damit beginnt Gewaltausübung, mit Herabsetzung anderer. Das wissen wir alle. Und genau darum geht es in der Geschichte aus Matthäus 15. 

Eine kanaanitische Frau bittet Jesus um die Heilung ihrer Tochter: "Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem bösen Dämon beherrscht!“ - "Schick sie weg!", fordern seine Jünger von ihm. "Sie schreit hinter uns her!“ Jesus lernt in der Begegnung etwas. Zunächst argumentiert auch er wie die Jünger: "Es ist nicht richtig, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hunden (!) vorzuwerfen.“ Sie bleibt bei ihrem Weg: auch wenn das stimmt, so leben die Hunde doch von den Krumen, die vom Tisch herunterfallen! "Wenn du, Jesus, wirklich der Retter der Welt bist, dann kannst du nicht deine Heilkräfte einem exklusiven Kreis Erwählter offenbaren und der Rest der Welt muss weiterhin leiden." Auf diese Formel lässt sich die Lehre aus der Begegnung der beiden reduzieren. Es ist schwer zu verstehen, dass die Jünger, also gerade die, die diesen Menschen an ihrer Seite hatten, so engstirnig sind, und seine Kräfte ausschließlich für sich haben wollen. 

Im Gottesdienst habe ich aus einem Buch von Paul Tillich vorgelesen (Die verlorene Dimension, 1969): 

"Das Universum ist Gottes Heiligtum. Jeder Tag ist ein Tag des Herrn, jedes Mahl ist ein Herrenmahl, jedes Werk ist die Erfüllung einer göttlichen Aufgabe, jede Freude ist eine Freude in Gott." Jeder Gedanke, jeder Schritt, jedes Wort irgendeines Menschen ist genauso in der göttlichen Sphäre zuhause wie der Gedanke, der Schritt oder das Wort eines Menschen, der sich für auserwählt hält. 

Die Frau, die zu einem ungläubigen Volk gehört, bringt Jesus dazu, dass er wirklich zum Retter der ganzen Welt wird, dass er zwar die Besonderheit seines Volkes achtet, aber doch über eine Grenze geht, über die er als Retter der Welt gehen muss. Für jede/n müssen wenigstens die Krümel übrigbleiben, die vom Tisch derer herabfallen, für die das Brot ursprünglich da war. 

Wir merken es heute überall auf der Welt: wo es nur darum geht, Gottes Heil, sein Licht, seine Gnade, ausschließlich einer auserwählten Schar zuzuordnen, wird Leben zerstört. Dafür gibt es genug Erzählungen. Ich beschränke mich auf die Lebensgeschichten, die ich selbst kenne: Menschen haben allein deshalb in der Familie Verachtung erfahren, weil sie sich als Evangelische an eine katholische Partnerin/einen katholischen Partner gebunden haben, oder umgekehrt. Noch heute! 

Extrem deutlich wird der Widerspruch zwischen den beiden Ideen von Glauben, wenn ich auf die gewaltsame Christianisierung blicke: Glaube und Gewalt bis hin zum Mord aus Habgier gehörten lange zusammen. Ich hatte drüber vor ein paar Tagen erst ein inspirierendes Gespräch mit einem älteren Mann, der als Schiffsoffizier überall in der Welt unterwegs war. Er hat erzählt von der Ausbeutung, unter der die Menschen in Südafrika gelitten haben bis ins 20. Jahrhundert. Die Ausbeuter? Gläubige Christen! 

Vielleicht ist das wichtigste, was die Geschichte aus Matthäus 15 uns lehren kann: Glaube ist Vertrauen und unmittelbar damit verbunden ist Heilung. Das gehört zusammen. Wo also irgendeine Form von Missachtung der Unversehrtheit geschieht, ist vielleicht gar kein Glaube. Am Schluss sagt Jesus: "Frau, dein Glaube ist groß!" Ihr Glaube ist groß, obwohl sie vielleicht nichts weiß über Jesus und seinen Glauben, außer, dass er heilende Kräfte in sich hat. Das genügt. In diesem Augenblick wurde ihre Tochter gesund. Damit endet die Geschichte. 

In meiner Predigt habe ich hingewiesen auf das Bekenntnis für Kinder und Erwachsene. Wir sprechen es oft, wenn im Gottesdienst Kinder getauft werden. Ein Satz daraus ist folgender: „Wir glauben an Jesus Christus. Er gibt uns seine Liebe mit auf den Weg.“ Uns allen, unabhängig davon, ob wir getauft sind oder nicht, unabhängig davon, welcher Religion wir angehören. Wer das begriffen hat und entsprechend lebt, lebt in der Nachfolge dieses Menschen Jesus. Jedenfalls hat er/hat sie großen Glauben. So einfach ist das. So einfach könnte es sein. Norbert Harms 

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