
25/08/2025 0 Kommentare
Kontroverse über das wichtigste Gebot
Kontroverse über das wichtigste Gebot
# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Kontroverse über das wichtigste Gebot
Im Gottesdienst am 24. August habe ich in der Predigt beschrieben, was ich am Samstag erlebt hatte, während des CSD. Ich hatte es für den Gottesdienst nicht aufgeschrieben, kann also nur aus der Erinnerung berichten.
Am Anfang aber steht die Begegnung zwischen Jesus und dem jüdischen Gelehrten. Sie ist unten angefügt. Der Gelehrte hatte Jesus als das wichtigste Gebot genannt: "Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, mit all deiner Kraft, und deinen Mitmenschen wie dich selbst." - "Du bist nicht weit entfernt vom Reich Gottes", ist Jesu Antwort. Mich bewegen die Themen meiner Predigttexte immer in den Tagen vorher, sie sind immer dabei, egal, auf welchen Wegen ich unterwegs bin. Am Samstag war ich mit Gästen, die Bremen noch nicht kannten, auf dem Weg zu den Stadtmusikanten. Wir mussten laufen, weil wegen des Christopher-Street-Days Busse und Bahnen still standen.
In der Obernstraße stand ein junger Prediger, der treffend auch als Missionar beschrieben werden kann (das hat mir ein anderer junger Mann aus seiner Gruppe bestätigt). Dessen Botschaft war eindeutig: Gott hat die Hölle erfunden, um uns für unsere Sünden zu bestrafen, damit wir uns von den Sünden abwenden. Das geschieht, wenn wir an Jesus glauben, der ja für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist, und uns damit den Zugang zum Himmel geöffnet hat. Und darum lebe ich von nun an als Kind des Lichts.
Ich habe in der Predigt erwähnt, dass sich solche Bußprediger, in meinen Augen fundamentalistische Christen, bewusst an den Weg des CSD stellen, weil sie sich dazu berufen fühlen, die queere (!) Community (aber auch die "Normalos") auf den rechten Weg zu führen, zur Umkehr zu rufen. Ich bin hingegangen, nicht um meinerseits zu missionieren, sondern um zu fragen, ob er wirklich glaubt, dass seine Drohpredigt dazu geeignet ist, Menschen für die Nachfolge Jesu zu gewinnen. Er stieg sofort ein mit einem weltlichen Vergleich und stellte mir die Frage, ob ich denn nicht auch dafür wäre, einen Mörder für sein Tun zu bestrafen ... Ich habe ihm nur noch gesagt, dass ich nicht an eine Hölle glaube, habe mich freundlich verabschiedet, das Gespräch also nicht weitergeführt. Ich will nicht mehr meine Kräfte in für mich sinnlose Auseinandersetzungen über die Frage investieren, wofür bzw. für wen Gott die Hölle geschaffen hat.
Auch zurück fuhren weder Bus noch Bahn. Also bin ich über die Bürgermeister-Schmidt-Straße nach Findorff gelaufen. Meine Gäste haben ihre Tour fortgesetzt.
In der Predigt habe ich beschrieben, wie sehr mich beide Orte bewegt haben, allerdings auf sehr unterschiedliche Art. Ich habe das, was Jesus dem Gelehrten bestätigt hat: wer Gott liebt und sich selbst wie seinen Mitmenschen, ist nicht weit weg vom Reich Gottes, ich habe diese lebendig machende Botschaft eher in der bunten Menge des CSD entdeckt als in der Nähe des Predigers. Dabei habe ich deutlich gesagt, dass das nur mein Blick auf das Geschehen ist. Natürlich erleben es andere anders, vielleicht ganz anders, vielleicht gerade umgekehrt. Mag sein.
Und das war, soweit ich es verstanden habe, die kritische Rückfrage nach dem Gottesdienst. Auch der fundamentalistische Prediger ist von Gott geschaffen, in gewisser Weise ist also auch er Teil der unendlichen Vielfalt der Schöpfung, und ich dürfte ihn nun nicht meinerseits ausgrenzen und ihm nun die Nähe zum Reich Gottes absprechen.
Ich hatte keine Zeit, mich auf das Gespräch einzulassen, weil eine ziemlich große Taufgottesdienstgemeinde meine Aufmerksamkeit brauchte. Mit einem Tag Abstand möchte ich sagen: auch dieses Problem lässt sich am Ende nicht eindeutig gut auflösen. Ich kann für mich nur sagen, dass ich spreche:
- für mich und meine schmerzhaften Erfahrungen mit ausgrenzendem religiösem Denken, Reden und Handeln, mit jeder Form von Drohpredigt, die mit Angst vor der Hölle einhergeht, um Menschen auf den rechten Weg zu führen
- für all die, die leiden unter den ausgrenzenden, herabsetzenden Reden fundamentalistischer Prediger, auch wenn sie gar nicht in unsere Gottesdienste kommen. Ich möchte aber ihre Neugier wecken, sich einem lebendigen Gott zuzuwenden, der uns nicht verurteilt, weil wir - egal wie - queer sind. Und ich glaube, dass mir das gelingt.
Und ich muss mir selbst die Freiheit zugestehen, muss mir auch die Freiheit nehmen dürfen, meine Position offen zu benennen. Das habe ich bei Martin Luther so gelernt.
Norbert Harms
Markusevangelium, in Kapitel 12, Verse 28 – 34.
Ein Schriftgelehrter war dazugekommen, als Jesus mit den Sadduzäern im Gespräch war über das richtige Verständnis der Bibel. Als er merkte, wie treffend Jesus den Sadduzäern geantwortet hatte, fragte er ihn: »Welches Gebot ist das wichtigste von allen?«
Jesus antwortete: »Das wichtigste Gebot ist dieses: ›Höre, Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Willen und mit deiner ganzen Kraft.‹ Das zweite ist: ›Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.‹ Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.«
Da antwortete ihm der Schriftgelehrte: »Ja, Lehrer, du sagst die Wahrheit: ›Einer ist Gott, und es gibt keinen anderen Gott außer ihm. Ihn zu lieben mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand und mit ganzer Kraft und seinen Mitmenschen zu lieben wie sich selbst‹, das ist viel wichtiger als alle Brandopfer und anderen Opfer.«
Als Jesus merkte, mit wie viel Einsicht der Schriftgelehrte geantwortet hatte, sagte er zu ihm: »Du bist nicht weit weg vom Reich Gottes.«
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