
01/10/2025 0 Kommentare
Ruth, Florian, Sebastiaan und ich
Ruth, Florian, Sebastiaan und ich
# Gottesdienste/Spirituelle Angebote

Ruth, Florian, Sebastiaan und ich
Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Die Bibel, Buch Ruth, Kapitel 1, Vers 16
Lieber Florian, lieber Sebastiaan!
Es sind schon ein paar Tage vergangen, seit ich mit euch beiden und den beiden Trauzeuginnen in unserer Kirche im Altarraum saß. Aber noch immer ist für mich die Kraft spürbar, die in diesem Moment für mich da war, einfach so, ein Geschenk. Diese Kraft kommt für mich her von Gott, und das möchte ich hier noch einmal kurz erklären.
Der Ausgangspunkt ist euer Trauspruch aus dem Buch Ruth. Die Geschichte beginnt aber nicht mit Ruth, sondern mit Noomi. Sie ist aus ihrer Heimat weggegangen, ins Ausland, nach Moab, mit ihrem Mann und den beiden Söhnen, wegen einer Hungersnot. Ihr Mann und dann auch die beiden Söhne sind hier gestorben. Nun will sie zurück, bittet aber die beiden Schwiegertöchter, Orpa und Ruth, in ihrem Land zu bleiben. Schließlich gehören sie hierher: „Werdet in eurem Land glücklich, Gottes Segen sei mit euch.“ Orpa hört auf sie, Ruth aber sagt: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch.“
Warum geht Ruth mit ihrer Schwiegermutter zurück, obwohl sie nicht weiß, was sie in der Fremde erwartet? Warum überhaupt erzählt die hebräische Bibel diese Geschichte?
Das Buch Ruth ist geschrieben in der Zeit, als die Israeliten nach der Vertreibung aus dem Exil nach Israel zurückgekommen waren. Es gab eine strenge Forderung der religiösen Elite: Gott verbietet, dass sich ein jüdischer Mann an eine Frau aus einer anderen Kultur bindet. Das Gesetz ist streng.
Das Buch Ruth kann ich darum auch verstehen als ein Plädoyer für einen gewissen Ungehorsam, jedenfalls gegenüber Regeln oder auch Gesetzen, die Leben einschränken, einengen. Ruth wird auch im Fortgang der Geschichte noch Konventionen und religiöse Gesetze übertreten, damit neues, gesegnetes Leben entstehen kann. Und ein jüdischer Mann wird sie, die Moabiterin,
trotz des Verbots heiraten.
Ruth teilt den Weg ihrer Schwiegermutter:
- nicht, weil es sich so gehört
- nicht, weil Gott es fordert
- nicht aus der Idee, dass sie sich unterordnen muss
Vielleicht war es so: Ruth teilt den Weg ihrer Schwiegermutter, weil sie ahnt, dass deren Glaube ihr einen Weg ermöglicht, der sie erfüllt. Dieser Glaube ruht im wesentlichen auf zwei Fundamenten: Gott ist der Schöpfer und der Befreier. Daran glaubt Noomi, das ist das Bekenntnis ihres Volks. Gott ist kein Richter, der uns zwingt, nach einer bestimmten Ordnung zu leben, schon gar nicht, was unsere Sexualität betrifft. So einen Gott gibt es nicht, so erfahre und so glaube ich das.
Zum Thema "Unterordnung" muss ich noch einen Gedanken loswerden: es gibt inzwischen ja eine nicht unbedeutende Bewegung in den USA, die „tradwifes“, die inzwischen auch hier mehr und mehr Einfluss gewinnen. Sie predigen genau das: die von Gott gegebene Ordnung sieht vor, dass ausschließlich Mann und Frau zusammenleben und eine Ehe schließen dürfen, und innerhalb dieser Ordnung ist der Mann das Haupt, dem sich die Frau zu fügen hat.
Ich komme wieder zurück zu dem Moment in der Kirche, in dem Kraft spürbar war, und zwar in allem, was zu sehen und zu hören war. Diese Kraft lebt in euch, wie in jedem Menschen, der schöpferisch mit dem Leben, mit seinem Partner/seiner Partnerin, umgeht. Ich durfte das schon oft entdecken in meinem Pastorenleben, mit euch beiden aber noch einmal ganz anders. „Ist das nicht komisch für dich, wenn da jetzt zwei Männer vor dir stehen?“, hat mich noch am Abend vorher jemand gefragt. „Nein“, war meine spontane Antwort, „überhaupt nicht.“ Ich habe in der Vorbereitung meiner Ansprache noch einmal viel über mich gelernt. Gott sei Dank: ich glaube, was ich sage, was ich gesagt habe, auch schon anderen Brautleuten, was im Buch Ruth nicht sofort erkennbar ist:
Auch, wenn es Gott ist, der mir befiehlt, mitzugehen: eine schöpferische, glückliche Ehe entsteht so nicht. Wenn einfach einer bestimmt, geht die Beziehung kaputt. Beziehungen gelingen nur aus Vertrauen, freimütig, nie aus Zwang.
Schön, dass ich euch begegnet bin. Norbert
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